Behandlungsspektrum

Grundsätze der orthopädieschuhtechnischen Versorgung des Diabetischen Fußes

Neben den oben beschriebenen Grundprinzipien entscheidet die indikationsgerechte Versorgung über das Gelingen. Hierzu hilft die Einteilung in Risikogruppen:

Die AG Fuß hat hier in Kooperation mit dem Beratungsausschuß der DGOOC für das OST Handwerk ein Kriterienkatalog  „ Schuhversorgung und Risikoklassen beim Diabetischen Fußsyndrom – und analogen Neuro-Angiopathien“ aktuell vorgelegt:

1.         0 :      Diabetes mellitus ohne PNP(Polyneuropathie)/AVK (arterielle Verschlußkrankheit) und ohne Fussdeformität

2.         I : Diabetes mellitus ohne PNP(Polyneuropathie)/AVK (arteriell/Verschlußkrankheit)  mit Fussdeformität

3.         II : Diabetes mit Sensibilitätsverlust durch PNP und/oder AVK und Fußdeformität

4.         III : Zustand nach Ulkus

5.         IV : Fuss  mit Deformitäten bzw.Dysproportionen

6.         V : DNOAP (Sanders II-V) Levin III

7.         Diab. Mell. Mit PNP/AVK und Fußteilamputation

7.         VI : Akute Läsion  / floride DNOAP

 

0 : Diabetes mellitus ohne PNP(Polyneuropathie)/AVK (arterielle Verschlußkrankheit) und ohne Fussdeformität

Hier genügt die Versorgung mit einem Konfektionschuh,der folgende Eigenschaften haben sollte:

                                    -atmungsaktives, weiches Schuhschaftobermaterial

                                    -ausreichender Platz betr. Breite und Höhe im Vorfußbereich

                                    -keine Nähte am Vorderschaft

                                    -flacher Pufferabsatz

                                    -gute Möglichkeiten für orthopädieschuhtechnische Zurichtungen

                                    -genügend Innenraum für orthopädische Einlagen

                                    -leichtes Gewicht, gute Kosmetik

 

I: Diabetes mellitus ohne PNP/AVK, mit Fußdeformität.

Neben der Versorgung mittels wie oben beschriebenen Konfektionsschuh, ist die spezielle Fußdeformität zu adressieren. Hierzu wird der Konfektionsschuh orthopädieschuhtechnisch zugerichtet und eine Einlagenversogung in Weichschaumtechnik durchgeführt. Bei Achsabweichungen wie z.B O- oder X-Bein kann der Lotaufbau durch Verbreiterung des Absatzes und/oder einem Flügelabsatz verändert werden. Weitere Möglichkeiten sind Pufferabsatz oder Rollabsatz, um durch eine Verkürzung des hinteren Hebels die Kräfte, die auf den Rückfuß einwirken zu vermindern. Zur Verminderung der auf den Vorfuß wirkenden Kräfte können Abrollhilfen ( Ballen- oder Mittelfußrolle) durch Verkürzung des vorderen Hebelarmes z.B. bei Metatarsalgien, Hallux rigidus etc. eingesetzt werden. Bei Deformitäten an der Innen- Außenseite des Fußes oder des Fußrückens besteht die Möglichkeit durch Aussparungen und Polsterungen des Schuhschaftes solche Problemzonen orthopädietechnisch zu verändern und der Fußdeformität anzupassen.

 

 

II :Diabetes mit Sensibilitätsverlust durch PNP und/oder AVK und Fußdeformität

In diesem Stadium kann der Fuß teilweise noch mit orthopädisch zugerichteten Konfektionsschuhen oder Diabetesschutzschuh mit herausnehmbarer konfektionierter Weichpolstereinlegesohle versorgt werden. Desweiteren sind orthopädische Schuhzurichtungen oft sinnvoll.

Mehrere Schuh-Weiten müssen aufgrund variabler Fußbreite erhältlich sein. Das Obermaterial sowie Schaftpolster und Fütterung sind passgerecht und geben im Vorfuß- und Zehenbereich etwas nach. Ein solcher Schuh darf im Vorfuß und im Bereich von Hautbezirken, die dicht unter dem Knochen liegen keine Nähte aufweisen. Der Einstieg muß weit genug sein, damit Patienten mit eingeschränkkter Beweglichkeit der Zehen und des Sprunggelenkes ohne Mühe in den Schuh einschlüpfen können. Um eine "Pseudarthrose" zwischen Fuß und Schuh zu verhindern und tageszeitliche Volumenschwankungen auszugleichen ist eine variabler Verschluß (z.B. durch Klettbänder) und eine gute Führung des Rückfußes durch eine Fersenkappe unerlässlich. Die Sohlenpartie sollte so beschaffen sein, daß entweder eine Sohlenversteifung bereits eingebaut ist oder es für den Orthopädieschuhtechniker problemlos möglich ist eine solche Sohlenversteifung in Kombination mit einer Abrollhilfe einzuarbeiten. Schließlich ist eine genügend großes Innenraumvolumen, in dem eine Diabetes adaptierte Fußbettung ( DAF) von 1- 1,5 cm Dicke Platz findet besonders wichtig. Solche DAF werden im Sandwich-Verfahren mit verschiedenen Weichpolstermaterialien unterschiedlicher Shorehärte nach Gipsabdruck individuell aufgebaut

Eine „Höherversorgung„  mit einer DAF oder gar einem orthopädischen Maßschuh hat bei Fußproportionen , die nicht nach einem konfektionierten Leisten versorgbar sind zu erfolgen. Andere Indikationen sind Fußdeformitäten ,die zu einer lokalen Druckerhöhung führen oder fehlgeschlagen adaequate Vorversorgungen.

 

III : Zustand nach Ulkus

Die orthopädische Versorgung wird unter Punkt 2 mittels Diabetesschutzschuh und in der Regel DAF ggf. mit orthop. Zurichtung wie beschrieben durchgeführt. Beim Diabetischen Fuß nach Ulcus ist häufig die Indikation für die Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen gegeben. Diese Maßschuhe sollten knöchelhoch  und mit Sohlenversteifung und Ballen- oder Mittelfußrolle ausgestattet sein. Eine Diabetes-adaptierte Bettung, die gleichmäßig und schalenförmig bettet ist fester Bestandteil einer orthopädischen Versorgung. Um den gesamten Fuß sicher ruhig zu stellen ist ein mindestens 20 cm hoher Arthrodesenstiefel indiziert. Dieser besitzt per Definitionem eine rigide Arthrodenkappe, eine versteifte Polsterlasche sowie eine Mittelfußrolle und Pufferabsatz.

 

IV: Fuss  mit Deformitäten bzw.Dysproportionen

In diesem Stadium kommen orthopädische Maßschuhe mit den oben beschrieben Bauelementen oder alternativ Innenschuhe und Orthesen zum Einsatz. Eine DAF ist hier zwingend angezeigt. In jedem Fall muß geprüft werden, inwieweit die einwirkenden Kräfte mittels Stützlasche im Unterschenkelbereich schon abgefangen werden sollen.

 

V : DNOAP (Sanders II-V) Levin III

In diesem Stadium sind knöchelübergreifende orthopädische Stiefel mit den oben beschrieben Bauelementen wie Arthrodesenkappe, Stützlasche, Mittelfußrolle, Pufferrollabsatz oder alternativ Innenschuhe und Orthesen zum Einsatz. Eine DAF ist hier ebenfalls zwingend angezeigt. In jedem Fall muß auch hier geprüft werden, wie die einwirkenden Kräfte mittels Stützlasche im Unterschenkelbereich schon abgefangen werden sollen, um so dem Fuß einen sicheren Halt geben.

 

VI Diab. Mell. Mit PNP/AVK und Fußteilamputation

Hier werden individuelle Versorgungen mittels orthopädischem Schuhwerk mit Funktionselementen , die die Fußteilamputation adressieren ausgeführt. Bei Prothesenversorgungen ist der Schuh hierauf zu modifizieren.

 

VI : Akute Läsion  / floride DNOAP

Gerade wenn es sich um einen diabetischen Fuß in sog. Vollausprägung mit Malum perforans handelt, bietet die Orthopädietechnik dem Patienten die Möglichkeit, weiterhin mobil zu bleiben. Die Mobilität der Patienten ist um so wichtiger, da hierdurch die unerwünschten Folgen der Immobilisation, wie instabile Glucosewerte mit erhöhtem Insulinbedarf, schlechtere Durchblutung des Fußes, Gefahr einer Thrombophlebitis, Entkalkung des Skeletts und schließlich die erhöhte Gefahr von Druckstellen an der Ferse, verhindert werden können. Zu erwähnen sind aber auch die Auswirkung der Bettruhe auf die Psyche des Patienten und seiner Angehörigen, sowie auf die finanziellen Folgen für die Kostenträger.

Möglichkeiten der konservativen Therapie sind die Anlage eines gut anmodellierten Unterschenkelgipses mit guter Polsterung der gefährdeten Bezirke eines sog. Total contact castes oder die Anpassung eines Therapieschuhs. Wir bevorzugen eine Kombination beider Maßnahmen:

Zunächst wird ein Unterschenkelgips (in Kunststofftechnik) mit guter Polsterung anmodelliert. Dieser Gips wird geschalt, mit gepolsterten Gurten versehen und mit abwaschbaren Weichpolstermaterialien ausgepolstert. Danach wird eine Sohle aufgeschäumt, in die ein Rollabsatz sowie eine Mittelfußrolle eingeschliffen wird. Mit dieser Maßnahme ist der Patient mobil und die gefährdeten Stellen des Fußes sind durch die Fußbettung teilentlastet.

Eine weitere Möglichkeit anlog hierzu ist die Fertigung einer Zweischalenorthese mit DAF.

Hierdurch sind die besten Voraussetzungen für die Heilung eines Ulkus oder Malum perforans gegeben. Wichtig ist, daß die Interimsversorgung, sei sie nun als gepolsterter Cast oder als orthopädischer Verbandsstiefel gearbeitet abwaschbar, gut zu desinfizieren und witterungsbeständig sein muß.

Erst nach Beruhigung der akuten Situation wird dann die definitive orthopädieschuhtechnische Versorgung oder einer stabilisierender operativer Eingriff in Angriff genommen. Ob nun Zurichtungen an Konfektionsschuhen mit Einlagen, Unterschenkelorthesen, Innenschuhe oder orthopädische Schuhe die bessere Lösung sind, muß von Fall zu Fall entschieden werden.

 

Zusammenfassend kann festgestellt werden , daß der diabetisch-neuropathische Fuß durch orthopädieschuhtechnische Maßnahmen stadiengerecht gut versorgt werden kann. Wichtig ist hierbei die Zusammenarbeit mit einem versierten Orthopädieschuhtechniker und eine intensive partnerschaftliche Kommunikation.